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MauerwegTour 2012, 09.11. - 11.11.2012 = 175 Kilometer an drei Tagen
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Versorgungspakete werden bereit gestellt. |
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Siegerehrung und Dankeschön. |
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Die MauerwegTour 2012.
Gebucht
Alles über die MauerwegTour 2012 gibt es hier.
Zuletzt stand ich wahrscheinlich 1988 am Brandenburger Tor. Vor der Grenze. Dahinter, unerreicht,
die Siegessäule. Wer war denn eigentlich Schuld daran, dass Berlin geteilt war? Jeder hatte seine Version. Durchgegangen bin ich zum ersten Mal 2009.
Ich stand zwischen den Säulen des Tores. Ein wunderbares,
fremdes und sehr belastetes Gefühl. Was nicht alles passiert, bis ich dort hindurch gehen konnte?
Geschichtsinteressiert bin ich ja auch.
Alex hatte mich zuletzt 2011 gefragt, ob ich einmal an der Mauerwegtour teilnehmen würde. Klar, das wollte ich!
In diesem Jahr war es dann endlich so weit. Auf dem Weg laufen, der um das ehemalig von der Mauer eingefasste Berlin führt. Auf dem Mauerweg.
Der Gedanke versprach für mich schon einiges an Gefühlen. Aus den Erinnerungen geboren. Nie vergessen und nie verdrängt!
So wie wir uns in den achtziger Jahren, bei einem Harzspaziergang vorgenommen hatten, einmal auf den Brocken zu wandern.
Wenn nur die Grenze nicht wäre!
Als dann die Mauer fiel, 1989, kam der Gedanke an die Brockenwanderung wieder. Dann, 1990 im Frühjahr, war ich mit einem Kollegen auf dem Brocken.
Seitdem fast in jedem Jahr.
Speziell für mich auch der Brockenlauf.
Und der Mauerweg?
Wie merkwürdig, voller Angst, bedrückt und auch verdrängungsbehaftet waren die Gefühle, wenn ich mit der Berliner S-Bahn an der Mauer entlang fuhr.
Nicht daran denken, was hinter der Mauer ist. Wer ist hinter oder vor der Mauer? Für die Wetsberliner ist in allen Richtung der Osten gewesen.
Udo sang: „In fünfzehn Minuten sind die Russen am Kur...”. Das wären sie gewesen!
Bei meinen Berlinbesuchen waren immer die Gedanken an ein geteiltes Deutschland dabei. Auch mit der Familie waren wir da.
In Berlin. Auch am Brandenburger Tor.
Und nun sollte es soweit sein. In diesem Jahr wollte ich die 175 Km auf dem Mauerweg laufen. Gebucht habe ich schon im Juni!
Dann war es so weit. Mit dem Auto fuhren wir nach Berlin. An Magdeburg vorbei. Auch so eine Sache, lebte ich doch siebzehn Jahre in dieser Stadt.
Lehrausbildung, Arbeit, Studium und die Familie bestimmten die Zeit dort. Dann kam die Wende und wir entschlossen uns der
angebotenen Arbeitsstelle nach NRW zu folgen.
Magdeburg lag dann hinter uns. Über die Elbe und in Richtung Brandenburg. Plötzlich ein Schild: Ziesar, der alte Bischofssitz.
Also sahen wir uns Ziesar an.
Abfahrt
Hier geht es zu meinem kleinen Reisebericht über Ziesar.
Kuchen gab es auch in Ziesar. Ländlich das alles hier. Und schön! Leute, ganz einfach
aus der Gegend. Sie mustern mich, während ich sie musterte. Der Rentner, die Rentnerin.
Man kennt sich, grüßt sich. Lacht, kauft ein, lebt.
Wer sind die da? Touristen, die hier Kuchen bestellt haben und mit Genuss verspeisen.
Einfachen Kuchen. Wie bei Muttern: Sehr schön. Preiswert auch noch. Ziesar war eine Reise wert.
Eine Tankstelle gibt es hier auch. Unser Nummernschild fällt auf.
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Alex erklärt, Jörg hört zu. |
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Ankunft
Auf der Autobahn. Die schöne Brandenburger Landschaft zieht vorbei, wie die Erinnerungen
an längst vergrabene Geschichten aus der Zeit, als hier noch die Sowjetarmee stationiert
war. Abends, wenn es dämmerte und die Kettenfahrzeuge mit Raketen beladen aus dem Wald
unverhofft die Landstraße überquerten. Ups! Einmal hatten wir wirklich Glück, nicht
überrollt zu werden, als wir aus Stendal zurück nach Hause fuhren. Lange her. Die sehr
schlanken russischen Soldaten beim Ernteeinsatz auf der LPG. Kapuska, Kapuska. Mehrere
Ladungen Kohl für ihre Garnison. Kohlsuppe schmeckt.
Schöne, ausgedehnte Wälder. Der Berliner Ring. Das Verkehrsaufkommen ist nicht so doll.
In NRW ist es überall schlimmer. Erst in Berlin wird es etwas mehr, aber normal.
Wir erreichen das Schreber City Hostel in der Franz–Künstler–Straße ohne Problem.
Einen Parkplatz haben wir auch noch bekommen.
Da ist Alex und einige andere Helfer, die schon mal die Versorgungsfahrzeuge beladen.
Wir unterhalten uns. Es ist noch Zeit und wir beschließen, trotz Nieselregen, zum
Alexanderplatz zu gehen.
In Kreuzberg, in dem das Hostel liegt, waren wir noch nie vorher.
Wir gehen über den Moritzplatz. Die Straße heißt Prinzenstrasse und im ehemaligem
Ostteil Heinrich–Heine–Straße. Wo die Mauer stand, ist eine Schneise. In der Nähe ein Lidl.
Nachgekauft
Im Kaufhaus am Alexanderplatz kaufen wir uns ein paar Handtücher. Die hatten wir vergessen.
In Berlin ist was los. Junge Damen in kurzen Hosen und Strumpfhosen mit breiten Laufmaschen.
Muss jetzt modern sein. Rote, gelbe, grüne, Strumpfhosen, bunt wie ihre Haare. Ringe in den Nasen, Ohren,
an den Backen und wer weiß noch wo, alles wie in Düsseldorf. Eine Gruppe macht unter der
Eisenbahnbrücke E-Musik. Auch schön. Ein Obdachloser schiebt seinen Einkaufwagen vor sich her.
Wir setzen uns in ein Café. Nach einigen Minuten ohne Bedienung gehen wir woanders hin.
Spannend ist es in Berlin schon. Das Café, in dem wir uns dann wiederfinden, hat was. Sanfte
Musik, sanftes Licht, sanfte Bedienung, starker Kaffee. Gleich gegenüber dem Fernseturm, den
Namen habe ich vergessen.
Es nieselt. Dagmar, ohne dicke Jacke, hat nur eine dünne Strickjacke mit und meint sie friert
nicht. Gut!
Wir laufen zum Hostel zurück. Es wird dunkel.
Ich bekomme meine Unterlagen, die Startnummer und den Zimmerschlüssel. Wir beziehen das einfache
Zimmer. Duschen und Waschgelegenheit, die Toiletten sind auch eine Etage höher. Kein Problem. Ist
ja nur für eine Nacht.
Es gibt ein gutes Abendessen und bald danach dann die Einweisung in die Strecke, die Markierungen,
die Helfer. Wie alles so ist, was wir sehen werden. Ich bin gespannt.
Sehr schön auch, dass wir Dieter und Jörg wieder sehen. Auch Roland ist da, Ewald und einige kenne ich vom Sehen.
Stefan vom Röntgenlauf.
Wir schlafen recht gut in den Betten.
Ich ziehe mich schon für den Lauf fertig an. Habe sogar das Garmin mit. Also kaum eine Chance, mich zu
verlaufen. Wenn doch, finde ich auf die Strecke garantiert zurück.
Leckeres Frühstück. Ich esse vor Aufregung und weil es ja dann 63 Km werden sollen zu viel. Nette Läuferinnen,
nette Läufer. Das Disco–Fahrzeug ist da und macht Musik. Alex schnappt sich das Mikrophon und stellt alle Läufer
vor. Die Ansprache des Schirmherrn–oder wer war das? - gab es auch noch. Ich habe nicht alles mitbekommen,
kam etwas später.
Dann der Start.
Der Sieger des Trans - Europa–Laufes ist auch dabei. Rainer Koch. Er gewinnt alle drei Etappen (siehe Link oben).
Langsam laufen geht bei mir. Mein Bauch, die Beine, der Körper insgesamt, fühlen sich merkwürdig an.
Wir überqueren die Oranienstrasse. Im Boden ist an den Pflastersteinen der ehemalige Grenzverlauf sichtbar. Über den Engeldamm, vorbei an der East Side Gallery,
wo Dagmar auf uns wartet und fotografiert. Dann die hübsche, teure Oberbaumbrücke.
Viele Millionen sind für die Restaurierung ausgegeben worden, wie uns am Abend in der Jugendberg Herr Cramer erzählt.
Immer wieder sehen wir auf dem Laufweg den Verlauf der Mauer. Langsam wird mir besser. Scheint, dass mein Frühstück seinen
Platz im Körper gefunden hat. Ich finde in den langsamen Schlurrschritt zurück, mit dem ich sehr lange Strecken laufen kann.
Die erste Etappe wird am Wannsee beendet. Dort werden wir in der Jugendherberge übernachten. Der Europaabgeordnete und Schirmherr des Laufes,
Herr Michael Cramer, wird uns am Abend einen interessanten Bericht über den Mauerweg vortragen.
Überhaupt, der Lauf ist ein Erlebnis. Super Organisation, herzliche Betreuung und deutsche Geschichte.
Immer wieder sind die Schneisen zu sehen, die durch die Stadt für die Mauer geschaffen wurden. Wir laufen an Kanälen vorbei.
Lange und sehr gerade Streckenabschnitte gibt es. Man meint, ewig gerade aus laufen zu müssen und ist doch irgendwann an einer Biegung angekommen.
Es bilden sich immer wieder Laufgrüppchen. Viel Zeit zu plaudern. Da sind Jochen, Martina, ich plaudere auch lange mit Stefan,
der mit seinen bunten Laufsachen besonders auffällt.
Ich genieße den Lauf und muss doch immer wieder daran denken, dass dieser Laufweg um den Westteil Berlins auf der Strecke entlangführt, die einst die Stadt,
ein Land, ganze Kontinente und vor allem Menschen getrennt hatte.
Ein Glücksfall, dass diese Mauer verhältnismäßig friedlich beseitigt wurde. Wenn die Zeit für etwas reif ist, kann man es bewirken.
Aber nichts geht von alleine!
Ich genieße die herbstliche Landschaft und freue mich, dass ich dabei sein darf.
Am ersten Tag werden wir ca. 63 Kilometer laufen. Dafür brauche ich 8:08:39 h. Ich laufe langsam und schwatze viel.
Für die 66 Kilometer und etwas mehr, weil ich ab und an mal falsch abbiege, brauche ich 9:12:53 h.
Ich habe das Garmin Navi mit. Alle drei Strecken sind darauf. Der Mauerweg ist gut beschildert. In Höhe von 3,40 Metern sind Schilder angebracht.
Kaum zu glauben, aber so hoch war die Mauer. Ab und an sind noch Reste davon zu sehen. Und man sieht deutlich, was das für ein Bauwerk war.
Ich biege manchmal falsch ab, wenn ich gerade etwas in Meditation verfallen bin, wenn mich die Landschaft, durch die wir laufen, träumen lässt.
Wenn ich gerade mal allein laufe.
Mit dem Garmin finde ich immer wieder schnell zurück.
Am dritten Tag laufen wir dann nur noch 45 Kilometer und ich benötige dafür 5:50:31 h. Dr. Roland Musil ist für die Statistik verantwortlich.
Wir kennen uns aus Sibbesse.
Es gibt eine cut off time und die langsamen Läufer starten am darauffolgenden Morgen immer eine halbe Stunde eher.
Ich habe kein Problem, die Zeiten einzuhalten. Am ersten Tag laufe ich bewusst verhalten, will nur ankommen und genießen.
Und nachdenken. Und es gibt viel nachzudenken. Hier an der ehemaligen Mauer denkt es sich gut nach. Über die letzten Jahre, über die Mauer,
die Zeiten, wie sie mal waren und das Glück, dass es jetzt anders ist.
Das Wetter ist insgesamt angenehm für Läufer.
Immer wieder auch sonnige Abschnitte. Am zweiten Abend, als wir in Hennigsdorf am Hotel einlaufen, regnet es. Nicht schlimm.
Es gibt viel zu sehen unterwegs. Die Stadt sowie so. Schloss Cecilienhof, Schloss Sacrow, die Glienicker Brücke (musst Du mal Googeln).
Berlin besteht aus zusammen gewachsenen Dörfern. Berlin liegt inmitten schöner Natur.
An Seen, Kanälen, die Spree und Wäldern.
Am dritten Tag laufen wir durch die Niedermoor Wiesen am Tegeler Fließ. Sehr schön!
Dann laufen wir auch mal ewig an einer S-Bahn Strecke entlang. Das war der Grenzverlauf, der Mauerweg ist so.
Am dritten Tag laufen wir in die Stadt hinein. Davor am Tegeler Fließ ist Landschaft pur und schön und die stärkste Steigung.
Die Versorgung ist gut. Allerdings kann ich mal wieder unterwegs an den Ständen nichts essen. Dafür bekomme ich dann ab und an einen Hungerast.
Dann esse ich von den Energieriegeln, die ich dabei habe und erhole mich relativ schnell.
Ich schwemme in den Tagen etwas auf. Abends kann ich die Verpflegung einschieben,
die ich beim Laufen kaum zu mir nehmen kann. Eventuell waren es doch ein paar lange Läufe vor dem Mauerweglauf zu viel. Aber nichts
ist schlimm. Alles im grünen Bereich. Ich genieße es, hier zu laufen.
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Auch an trüben Tagen ist es schön hier. |
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Aussicht auf den Berliner Fernsehturm am Mühlendamm. |
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Immer wieder sieht man bekannte Läufer. Immer wieder unterhalten wir uns.
Die letzte Tagesetappe, am 11.11.2012, führt dann am Friedrich - Ludwig - Jahn - Sportpark vorbei.
Hier sind viele Leute unterwegs. Ecke Bernauer Straße wird Musik gemacht. Der Musiker
feiert die Läufer und begrüßt uns. Es wird geklatscht. Unterwegs fragen mich Passanten,
was wir hier machen. Sie sahen meine Startnummer. Als ich wahrheitsgemäß berichte, wir seien
dabei die ehemalige Mauer abzulaufen, auf dem Mauerweg, 175 Kilometer an drei Tagen, ernte ich
Ungläubigkeit, Erstaunen und Bewunderung auch.
An der Gartenstraße entlang. Hier muss man aufpassen, denn die großen Gehwegplatten liegen
nicht plan. Schlimm, würde man hier einhaken. Die Beine kann ich nicht mehr so elegant anheben.
Aber ich genieße immer noch und freue mich jetzt auf das Brandenburger Tor. Davor laufen wir am
Regierungsviertel entlang. Eine Gruppe Teilnehmer war vor mir, ist aber irgendwo falsch abgebogen.
Ich ziehe an ihnen vorbei. Jochen ist plötzlich wieder da. Cornelia auch. Wir laufen am Holocaust
–Mahnmal vorbei, Potsdamer Platz entlang. Hier sind viele Menschen unterwegs. Manche auch in
Karnevals Kostümen. Ich laufe, Gänsehaut, nicht zu schnell werden, am Checkpoint Charlie vorbei
und merke es nicht. Die Mauerreste an der Zimmerstraße hatte ich noch bemerkt. Den berühmten
Checkpoint nicht. Dagmar ist da und fotografiert uns. Noch wenige hundert Meter. Ich habe,
glaube ich, über alles nachgedacht, worüber man bei so einer Gelegenheit nachdenken kann.
Bin dann, glücklich, im Ziel. Empfangen werden wir drei von Alexander. Alex kenne ich schon
seit vielen Jahren und er war auch schon beim Erft–Spendenlauf dabei.
Die Duschen haben noch genügend warmes Wasser. Ich genieße auch das.
Dann der Abgesang. Abendbrot. Die Läufer nach mir trudeln überglücklich ein. Werden gefeiert. Wir feiern uns alle. Und besonders auch die Helfer.
Eine würdige Veranstaltung auch.
Siegesehrung und der Dank an die vielen netten und fleißigen Helfer.
Auf dem Rückweg sind wir dann noch in meinem Heimatdorf gewesen. Auch so eine Geschichte ...
// © Jörg Segger/ Alle Bilder von mir, wenn nicht anders beschrieben / 27.11.2012/ 22.12.2012/
p.s.
Der Gewinner des Fehlersuchwettbewerbes, er bekommt eine Flussläufermütze, steht nun auch schon fest!
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