70 Kilometer Ultra laufen im Allgäu
Die vergessene Startnummer
In der Ferienwohnung in Gstadt, Montag, den 25.08.2014. Gut erholt allemal
und mental gut drauf bin ich. Natürlich merke ich die Oberschenkel etwas,
wenn ich die Treppen nach unten steige. Heute Morgen sind wir nach dem
guten Frühstück von Sonthofen aus an den Chiemsee gestartet. Vor München
und einige Kilometer danach war die Autobahn sehr voll. Kein Problem. Wir
sind im Urlaub.
Am Freitag sind wir nach Sonthofen gefahren, sobald sich Dagmar nach der
Nachtschicht frisch gemacht hatte. Alles ganz entspannt. Gut, ich musste
nach einigen Kilometern umdrehen. Der Drucker war noch nicht ausgestellt,
hatte aber trotzdem keinen Strom.
Sicher ist sicher.
Sonthofen ist schön, haben wir bald nach unserer Ankunft festgestellt.
Vom Kreisverkehr, am ALDI aus zu sehen, ein markanter Bau an exponierter Stelle, der
an ein Schloss erinnert. Unsere Gastgeberin erzählte uns, dass sie dort
oben in ihrer Jugend gebadet haben. Es gab dort schon zu ihrer Jugendzeit
ein Schwimmbad mit einem zehn Meter hohen Sprungturm. Dieses markante
Gebäude auf dem Berg gehört zu einer riesigen Anlage aus der NS Zeit.
Eine von drei sogenannten Ordensburgen im damaligem Deutschland. Es gab
eine Ordensburg in Krössinsee, die derzeit vom polnischen Militär genutzt
wird, eine in der Eifel, Vogelsang, und die in Sonthofen.
Derzeit wird der
Komplex, die Generaloberst-Beck-Kaserne der Bundeswehr, renoviert. Das
Militär aus der Jägerkaserne in Sonthofen soll auch dort untergebracht
werden. Der Turm der Jägerkaserne sieht hübsch aus. Wir dachten, er
gehöre zu einer hübschen Kirche. Es war allerhand los in Sonthofen, da
gleichzeitig zum ersten Mal das Alpenfest stattfand.
Am Samstag haben wir uns ausgiebig Oberstdorf angeschaut. Allgäuer Käse
für unsere Brotzeit unterwegs haben wir auch erstanden. An den Sprungschanzen
war es sehr interessant. Nie könnte ich von einer dieser Schanzen springen.
Ich ziehe meinen imaginären Hut vor den Springern.
Wir sind durch die Faltenbach - Klamm hoch gewandert. Etwa 400
Höhenmeter mit schönen Ausblicken und oben auf der Seealp dann ein toller
Platz zum Brotzeiten und Schauen. Wir ließen es dabei und sind nach Kaffee
und Kuchen langsam wieder nach Oberstdorf abgestiegen. Am Abend habe ich
dann geruht, und Dagmar hat an der Nudel - Party teilgenommen. Sonntag 4:35
Uhr sind wir aufgestanden. Die richtigen Schuhe–Trailschuhe wegen dem
Regen und dem zu erwartenden Matsch–Regenjacke und alles Weitere lagen
bereit. Es regnete ziemlich stark am Morgen vor dem Start. Etwa dreihundert
Meter nahm mich eine freundliche Dame, die ihren Läufer schon am Start
abgesetzt hatte und vom Parkplatz dort hin wollte, mit unter ihren Schirm.
Schade, sie wollte mich nicht auf der Strecke begleiten. Also keinen
Regenschirm für unterwegs.
Sven war mit Anhang auch da und die Minuten bis zum Start vergingen schnell.
Unspektakulär der Start. Das Streckenprofil hatte ich am Tag davor ausgiebig
studiert und nichts überraschte mich unterwegs. Die ersten Kilometer flach
und dann ging es zur Sache. Viele auch sehr giftige Anstiege ging es hoch.
Nach etwa 16 Kilometern holte ich meine bis dahin wasserdicht verstaute
Kamera vor und fotografierte erst einmal.
Ich fühlte mich sehr gut.
Immer
wieder hielt ich mich etwas zurück an den Steigungen, um nicht zu viel
Kraft gleich am Anfang abzugeben. In den wenigen Stücken, wo ich laufen
konnte, lief ich immer wieder an, um dann die Steigungen langsam zu laufen
oder zu gehen. Nur nicht gleich alle Körner investieren. Zum Weiherkopf hoch
war es sehr glitschig. Ich lief auf Rasen und die Trailschuhe waren griffig.
Eine Läuferin hatte Hokas mit Straßenprofil an und die Hose am Hintern war
schon schlammfarben. Na ja. Auf dem Weiherkopf hagelte es etwas. Hier und
hoch zum Sonnenkopf hätte ich Wanderstöcke gebrauchen können. Allerdings
verzichtete ich darauf sie mitzunehmen, obwohl ich welche im Auto hatte,
da ich damit gänzlich untrainiert bin.
Also bewegte ich mich lieber langsam an schwierigen Stellen. Schöne
schnelle abschüssige Strecken gab es ja auch und Passagen, wo ich
einige Kilometer gut laufen konnte. In Grasgehren war ich überraschender
Weise schon nach 2:46:41 h. Also konnte ich mich etwas entspannen.
Ursprünglich wollte ich nur unbedingt bis zur cut off time dort sein.
Die wäre dann nach 3:15 h gewesen. Ich genoss jetzt immer mehr die
Ausblicke auf die Berge. Viele Läufer unterhielten sich jetzt auch.
Hoch zum Weiherkopf war es wohl Vielen noch zu früh oder die Stimme
war eingefroren. Mir ging es ja nicht anders. Dann ein Schild mit dem
Staatswappen Österreichs.
Im Kleinwalsertal, in Riezlern, überquerten wir zuerst, auf einer
hohen Brücke, die Breitach, dann eine gut befahrene Straße. Danach
ging es bald wieder steil hoch. Unterwegs nur freundliche Menschen
an den Verpflegungsstationen. Gut organisiert alles. Wunderbar. Zur
Söllereckbahn ging es wieder schön hoch.
Aber die herrlichen Ausblicke
immer wieder und hoch oben, weit weg, auf den Gipfeln Schnee. Toll. Nach
Oberstdorf herunter waren viele glitschige Treppenstufen, steil nach unten,
zu überwinden. Nette Wanderer, die uns immer wieder Platz machten, damit wir
es beim Abstieg besser hatten.
Wieder eine schnelle, weil flache Passage bis kurz vor der Erdinger Arena.
Die Namen wurden durchgesagt. Jemand rief meinen Vornamen, meinte aber
nicht mich, sondern den Jörg, der hinter mir lief. Ich zog meine Regenjacke
aus und erfrischte mich mit Erdinger Alkoholfrei, aß etwas und vergaß meine
Startnummer.
Hoch den Anstieg zum Sonnenkopf. Nach etwa 800 Meter auf der ansteigenden
Straße merkte ich es. Es fehlte irgend etwas: Ups, die Startnummer.
Hoffentlich liegt sie noch in der Arena! Ich stürzte mich förmlich
die Straße zur Erdinger-Skisprung-Arena herunter. Ich sah Klaus und Barbara wieder,
die mir fragend den Anstieg, den ich herunter lief,
entgegen kamen.
Wo will der denn
hin?
Der hofft darauf, dass seine Startnummer noch da ist!
Sie war noch da. Die Steigungen gefallen mir so gut, dass ich die
800 Meter Strecke mit steilem Anstieg nach der Erdinger-Skisprung-Arena
gerne zweimal mache. Ein schöner Anstieg zum Sonnenkopf. Nur an wenigen
Stellen kann ich laufen und mache es auch.
Eine Verpflegungsstelle.
Gut so!
Von jetzt an wird es gewaltig steil. Dann meint ein
Läufer: „Jetzt geht es richtig hoch!”
Und das Sahnestück kam.
Noch steiler, durch den Wald und dann über eine sehr steile Wiese.
Ausgetretene und schmierige, matschige Schlammstufen hoch.
Keiner
warf mir ein Seil herunter. Dabei sah ich sie sich oben am Kreuz
schon fotografieren. Barbara und Klaus habe ich nicht mehr eingeholt
bis zum Ziel. Aber Barbara sah ich kurz auf dem Sonnenkopf. Ich musste
erst einmal etwas verschnaufen und nahm dann den Abstieg in Angriff.
Es war zuerst sehr steil, dann glitschig und dann konnte ich richtig
schnell die Wege und Wiesen herunter laufen. Die letzten Kilometer
steigerten den Laufgenuss noch mehr. Kein Problem, auch wenn die
Muskulatur etwas um Hilfe schrie.
Alles im Griff!
Dann der Einlauf. Dagmar und Charly am Ziel und ich dann auch. Zwei
Alkoholfreie bitte und mein Steinmännle.
Sven und Freundinnen und
Klaus waren schon kurz vor mir im Ziel und wir sprachen uns noch
Glückwünsche zu. Sven war verdammt schnell. Er wurde zwanzigster
in 8:10:38 h! Dagmar musste sich etwas beeilen, um pünktlich zu
meinem Einlauf im Ziel da zu sein, da sie noch einige Stunden
wandern war. Sie hat sich die schöne Starzlachklamm angesehen
und natürlich auch gut gegessen unterwegs. Wer rechnet denn
damit, dass ich unter 12 Stunden unterwegs bin?
Ich war auch mit meiner Zeit von 11:07:41 h sehr zufrieden. Am
Abend waren wir noch etwas essen und genossen den Resttag.
Und nun den Urlaub am Chiemsee.
Die Ferienwohnung liegt direkt am Chiemsee. Wir haben einen
herrlichen Blick auf den See, die Alpen und eine riesige
Liegewiese mit Seezugang.
Toll!
Wir brachten die Sonne
nach Gstadt, auch wenn es gerade noch etwas trüb aussieht,
hatten wir am Montag schon mal gutes Wetter.
// © Jörg Segger/ Alle Bilder von mir oder Dagmar, wenn nicht
anders beschrieben / 11.09.2014//
|